Wortgeschichten

Spatzig

Illustration: Tizian Merletti

Nein, mit dem Spatz, dem Sperling, hat Spatzig natürlich nichts zu tun. Das Wort kennt Varianten wie Spaazig, Spaazis und Spaazi, womit wir dem Ursprung näher kommen: Es geht auf italienisch spazio zurück, was «Raum, Platz», auch «Zwischenraum», «Abstand», «Zeitspanne», «Zeitraum» bedeutet; zugrunde liegt lateinisch spatium mit den gleichen Bedeutungen. Die ursprünglichste der schweizer­deutschen Lautungen ist also Spaazi. Die Variante mit dem schliessenden -s geht auf einen partitiven Genitiv zurück (Spaazis gnueg, genug «des Platzes»), die mit schliessendem -ig ist an die vielen Wörter vom Typ Regierig «Regierung», Stim(m)ig «Stimmung», Ruschtig «Ausrüstung, Kleider, Gerätschaft, Sache» usw. angelehnt.

Wie auch im Italienischen und Lateinischen hat das schweizerdeutsche Wort räumliche und zeitliche Bedeutungen. Reich bezeugt ist im «Schweizerischen Idiotikon», dem «Wörterbuch der schweizer­deutschen Sprache», die räumliche: Das Huus het z wenig Spatzig, es ist zu klein, zu eng, sagt man etwa im Aargau. En Teckel von ere Bläächbüchs mues echli Spatzig haa, damit er sich leichter öffnen lässt, heisst es in einem Beleg aus Bülach. Auch in uneigentlicher Verwendung kommt es vor; das Idiotikon bringt aus Fehraltorf den Satz Me mues eme junge Mäntsch echli Spatzig loo. Für die zeitliche Bedeutung führt das Wörterbuch äim Spatzig gèè aus der Stadt Zürich an, also einem Schuldner eine Frist setzen. Ein Appenzeller Nachtwächter hed bis zor andere Rondi zwänzg Minuute Spaazi ghaa. Und Gott hat zur Erschaffung der Welt nur sächs Taag Spatzig ghaa, wie ein Luzerner schrieb.

Verwandt ist übrigens spaziere(n), das eigentlich «einen Raum, eine Weite durchschreiten» heisst. Und urverwandt, das heisst auf eine gemeinsame indogermanische Wurzel zurückgehend, sind deutsch sich sputen «sich beeilen» und englisch speed «eilen» – aber da man für die Erklärung dieser Verwandtschaft viel zu weit zurück muss, lassen wir es für heute lieber bleiben ...


Permalink: https://idiotikon.ch/wortgeschichten/spatzig

Isch es äuä amig albig besser gsy? Äuää!
Mach nöd eso en Lätsch!

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