Konfetti, Räppli, Punscherli
Werfen Sie an der Fasnacht mit Süssigkeiten um sich? Kaum; sicher werfen auch Sie Konfetti. Bonbons werden nur bei Hochzeiten unter die Hochzeitsgesellschaft und umstehende Zaungäste geworfen. Und doch geht der Brauch des Konfettiwerfens auf Süssigkeiten zurück: Konfetti ist nämlich nichts anderes als das italienische Wort confetti, das wiederum identisch ist mit Konfekt «Zuckerbackwerk». In dieser Form und Bedeutung ist das Wort seit langer Zeit im Deutschen gebräuchlich. Schon in der Chronik von Gerold Edlibach um das Jahr 1500 heisst es: «Demnach bracht man unss … fil konfex mit zuckererpsen und zwen fladen, die warend itel wiss von zucker und mandel gemacht», also: «Man brachte uns viel Konfekt mit erbsenförmigem Zuckerwerk und zwei Fladen, die waren ganz weiss, aus Zucker und Mandeln».
Das Wort Konfekt stammt vom mittellateinischen confectum «Zubereitetes» und bezeichnete ursprünglich in Apotheken zu Heilzwecken eingezuckerte Früchte. Daraus entwickelte sich die allgemeinere Bedeutung «Gezuckertes, Süsswaren». Wie aber gelangt Konfekt an der Fasnacht aus der Bonbondose in die Luft? Offenbar war es früher in Italien üblich, am Karneval Süsswaren auszuteilen, eben confetti (die in Österreich angeblich auch heute noch so genannt werden können). Mit der Zeit wurden die Süssigkeiten allerdings durch Gipsklümpchen und Papierschnipsel abgelöst – geboren waren die Konfetti im modernen Sinn, die auch noch nach Tagen aus allen Ritzen und Falten rieseln.
Der Name der Konfetti hat zwar den gleichen Ursprung wie Konfekt, wurde aber anders als dieser nicht dem Lateinischen entlehnt, sondern kam mit dem Brauch des Konfettiwerfens aus Italien. Im Schweizerischen Archiv für Volkskunde (1930, S. 175) heisst es, Papierkonfetti seien 1883 von einem Mailänder Seidenzüchter erfunden worden. Sie waren ein Abfallprodukt der Seidenfabrikation, für die man durchlochte Papier- oder Kartonstreifen brauchte – heute noch weiss jedes Kind, wie es auf diese Weise mit dem Locher selbst Konfetti herstellen kann.
An der Basler Fasnacht sollen Konfetti 1892 oder 1893 aus Paris eingeführt worden sein. Weil sich das unbekannte Produkt anfänglich schwer verkauft habe, hätten es Ladenmädchen im Warenhaus Knopf ausgeworfen; danach habe es reissenden Absatz gefunden. Auch an der Escalade von Genf (die jeweils im Dezember gefeiert wird) sollen Konfetti 1893 erstmals gesehen worden sein (Archiv für Volkskunde 1971, 135).
Nicht überall tragen die Konfetti aber diesen Namen. In Basel heissen sie seit damals, als sie noch kleine runde Kartonscheibchen waren, Räppli wie die kleine runde Münze. Im St. Galler Rheintal und angrenzend in Vorarlberg nennt man die kleinen Fetzchen Punscherli oder Puntscherli. Warum? Auch hier spielt die Textilindustrie mit. Margrith Egli-Nüesch schreibt zum Beispiel in Balgar Mundart-Gscheachta (Balgach 1984, S. 35) über die Stickerei Schawalder in Balgach: «Mear Moatla und Buba hond heander da Fabrik üsars Paradiis khaa. Ma hond küna nöüsla i da Abfallkischda und wundarbaar – aals häapma küna bruucha – d'Puntscharrolla, d'Schpuala mit Sidafäda i alla Farba, Schiffli, Bubiinli, Puntscharli.» Diese Gegend war früher so stark von der Stickerei geprägt, dass 1888 laut Historischem Lexikon der Schweiz bis zu 50 % aller Erwerbstätigen im St. Galler Rheintal in dieser Branche arbeiteten. Die Puntscherrolle war das Arbeitsgerät des Puntschers, der die Stickmuster für die Maschinen auf einen Lochstreifen aus Papier oder Karton übertrug. Puntscherli nannte man den Abfall, der beim Lochen dieser Streifen entstand und sich bestens als Konfetti eignete. Und woher hat der Puntscher seinen Namen? Aus dem Englischen, wo to punch «durchlochen» bedeutet. Das Wort geht weiter zurück auf altfranzösisch ponchonner und ist verwandt mit punktieren.
Moderne Konfetti werden eigens hergestellt, der Abfall wird zum Produkt, das Produkt zum Abfall: die Zwischenstücke, die ein bisschen wie eine Mischung von Stützbogen- und nimbiertem Kreuz aussehen, also wie ein Kreuz mit Abrundung der Ecken zwischen den Balken (beim Metallstanzen heissen diese Teile Stanzbutzen). Kurzlebig, wie Konfetti sind, wird dieser «Abfall» aber mitverwendet, Konfetti sind darum nicht mehr nur rund.
Wer heute an der Fasnacht Papierschnitzel wirft, denkt vermutlich an nichts als an buntes Papier. Aber je nach Namen, den die Konfetti tragen, klingen auch noch Süssigkeiten, Rappenstücke oder Löcher an.
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