Wortgeschichten

Dibidäbi

Die Idiotikon-Redaktion wird von Zeit zu Zeit angefragt, woher die scherzhafte Bezeichnung Dibidäbi für den Appenzeller stamme. Das Wort fehlt in unserem Wörterbuch, doch im Nachtragsmaterial haben wir eine erste Anfrage von 1939, in der es heisst, dass das Wort im St. Gallischen üblich sei. Leider hat sich die Antwort nicht erhalten. Spätere Belege kommen auch aus den Kantonen Zürich und Bern.

Eine traditionelle Worterklärung, die immer wieder auftaucht, ist die folgende: Der Steuereintreiber des Klosters St. Gallen soll um 1405 herum von den Appenzellern die alljährlichen Abgaben gefordert haben. Der Säckelmeister – statt den Betrag auszuhändigen – schrieb auf die Quittung das blosse Zahlungsversprechen, auf Lateinisch tibi dabo «ich werde dir geben». Das ist zwar eine hübsche Geschichte, aber wissenschaftlich haltbar ist sie nicht. Tatsächlich liegt sprachlich wohl eine wortspielerische Schöpfung vor, Wörter mit i-ä-Wechsel sind nämlich recht häufig, so tiritäri mache «flattieren, schmeicheln», bibääbele «allzu viele Umstände machen; zärteln», eim s Gibeligäbeli (Gibsgäbeli, Gixgäbeli und ähnlich) mache «jemanden mittels gekreuzter Zeigefinger verspotten» oder ganz bedeutungsfrei im Schleitheimer Kindervers Ääs zwaa drüü, tippi täppi tüü. Der Zürcher Dialektautor Traugott Vogel gebraucht 1961 ein tibitäbi im Sinne von «exakt»: Dän wëërdi die Underschrift … i mys Zügnis iepflüümlet … bigoscht esoo tibitäbi, das es spööter de Vater nüd emaale mërki; hier haben wir es vielleicht mit einer Anlehnung an «tiptop» zu tun. 1932 verwendet der Schwyzer Schriftsteller Meinrad Inglin in einem an Vogel gerichteten Brief das Wort in einer anderen Bedeutungsnuance: Ich ... fand alles sauglatt, tibitäbi. Passend hierzu ist Dibidäbi auch als lüpfig zu singender Zeilenfüller in zwei Volksliedern vertreten, zum einen in Arthur Beuls Jodelpolka «Dibidäbi, lupf dis Bei» (Dibidäbi dibidäbi, lupf dis Bei, dibidäbi dibidäbi, hol d Marei, dibidäbi dibidäbi heb si fescht, dibidäbi dibidäbi gischt was hescht) und zum andern in Kurt Heussers und Hanspeter Reimanns «En dibidäbi Puuremaa» (En dibidäbi dibidäbi Puuremaa, dä sött es dibidäbi Fraueli haa, well en dibidäbi dibidäbi Puuremaa sibe Sache elei nöd mache cha). Zielt «Dibidäbi» also vielleicht auf den Witz, die Behendigkeit und Zungenfertigkeit der Appenzeller? Möglich wär's!


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